„Wir müssen mal die Website neu machen!“ Wohl jeder zweite Marken-Relaunch hat seinen Ursprung in diesem Satz. Wer clever ist, begnügt sich allerdings nicht mit einer Anpassung an aktuelle Design-Trends, sondern macht sich auch über relevante Inhalte und eine gute Positionierung Gedanken. Dass es auch anders geht, zeigt aktuell die FDP. Nach einem rabenschwarzen 2013 (die Partei scheitert erstmal in ihrer Geschichte an der 5% Hürde und fliegt aus dem Bundestag) hat nicht nur die heute-show ihren wichtigsten Content-Lieferanten verloren. Es ist ein Desaster für die politische Partei – und ganz besonders für die Marke der FDP.
Vor zwei Tagen präsentierte sich die Partei auf dem Dreikönigstreffen mit neuem Logo, neuer Farbe und neuen Inhalten. Neue Inhalte? In der aktuellen Berichterstattung geht es fast ausschließlich um das neue Erscheinungsbild. Neben Gelb und Blau ist Magenta als Auszeichnungsfarbe hinzugekommen. (Zu sehen auf www.fdp.de) Auf Spiegel Online heißt es dazu „Neues Logo, neues Glück?“, Die Welt titelt mit „Christian Lindner […] verordnet den Liberalen einen Schönheitsoperation.“ Und bild.de fragt „Mit neuem Logo aus der Krise?“ Was hat sich verändert bei der FDP? Sind es tatsächlich nur die Farben oder steckt mehr hinter dem neuen Auftritt?
Content ist King?
Auf der Internetseite der FDP findet sich inhaltlich wenig Neues. Das Motto der Strategie „Chancen ermöglichen“ bleibt leider so allgemein wie nichtssagend. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Inhalte – wie auch das Erscheinungsbild – leicht verändert und etwas aufpoliert wurden, es aber dann doch irgendwie beim Alten geblieben ist. Eine klare Strategie klingt anders. Markenexpertin Uli Mayer-Johanssen bezeichnet das neue Erscheinungsbild in einem W&V Interview als „Nichts Halbes und nichts Ganzes“ und als „Sinnbild für die Identitätskrise der Partei“. Eine treffende Beschreibung
Wenn die Krise zur Schockstarre führt
„Krise kann ein produktiver Zustand sein. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ (Max Frisch) Der FDP ist dieser Schritt offenbar nicht gelungen. Allem Anschein nach überwiegt immer noch der Schock über die Katastrophe. Das ist bedauerlich, denn was gibt es in der aktuellen Situation der FDP zu verlieren? Zu welchem Zeitpunkt könnte die Bereitschaft für einen Aufbruch und Neuanfang größer sein? Es gibt allen Grund dazu jetzt(!) mutig zu sein und spürbare Veränderung zu wagen.
Was aber aktuell an Veränderung von der FDP wahrzunehmen ist, lässt sich in zwei Sätzen ausdrücken: Neben Blau und Geld steht jetzt Magenta. Und: „Die Liberalen“ heißen jetzt „Freie Demokraten“. Ob diese Schönheitsoperation der Marke hilft, wird sich wie immer im wahren Leben zeigen. Zum Beispiel am 15. Februar 2015 – dann ist in Hamburg Bürgerschaftswahl. Zugute halten muss man der Partei, dass der Strategie- bzw. Leitbildprozess noch nicht abgeschlossen ist. Vielleicht kommt ja nach dem farblichen Wandel noch der inhaltliche.
Jeder Marken-Relaunch ist eine Krise
Das Wort Krise bezeichnet einen Wendepunkt. Es ist der Punkt, auf den sich alles zuspitzt, der Moment, in dem Entscheidungen fallen und eine Wende eingeleitet wird. So gesehen ist die FDP noch nicht mal in der Krise angekommen, denn ein Wendepunkt ist – von den kosmetischen Veränderungen abgesehen – nicht in Sicht. Insofern kann nicht mal von einem Marken-Relaunch der FDP gesprochen werden. Denn das entscheidende fehlt bisher: eine inhaltliche Neuausrichtung der Partei. Eine Positionierung, die über ein Bulls**t Bingo à la „Chancen ermöglichen“ oder „Anders und stolz drauf“ hinausgeht. Inhalte, die klar und verständlich sind. Solange das nicht der Fall ist, wird auch kein Magenta helfen die 5% Hürde zu bewältigen und eine politisch relevante Partei zu werden.
Was aktuell an der FDP zu beobachten ist, ist aus Sicht der Markenberatung keine Seltenheit. Die (Weiter-)Entwicklung von Marken beginnt meist mit großen Vorhaben und dem Wunsch nach einschneidenden Veränderungen. Wenn es jedoch ans Eingemachte geht, sprich, eine klare Positionierung für die Zukunft entwickelt werden muss, gewinnt die Sicherheit des Altbekannten plötzlich unglaublich an Attraktivität. Im Zweifelsfall bleibt es dann eben bei einer dezenten Schönheitskorrektur, einer neuen Farbe, Schriftart oder Logovariante. Dieser Weg ist mit Sicherheit bequemer und einfacher. Aber auch weniger wirksam. Das bestehende Markenimage kann auf diese Weise nur schwer verändert werden. Was bei Kunden, Parteimitgliedern oder Bürgern über die Marke gelernt ist, verändert sich nicht von heute auf morgen. Schon gar nicht, wenn die Neuerung dank homöopathischer Dosis nur unter dem Mikroskop erkennbar ist.
Eine Umgestaltung des Geschäftsmodells oder auch des politischen Programms muss kommuniziert werden. Ein Marken-Relaunch bietet genau diese Möglichkeit, nämlich eine neue Positionierung zum Ausdruck zu bringen. Ein überarbeitetes Erscheinungsbild kann diese Entwicklung, das „Neue“ sichtbar machen und transportieren. Es erzeugt die notwendige Aufmerksamkeit und sensibilisiert für die Veränderungen. Ein Marken-Relaunch ohne Inhalte hingegen bleibt eine kosmetische Veränderung ohne Substanz und ohne nachhaltige Wirkung. Ob er bei der FDP trotzdem den gewünschten Effekt bringt, wird sich in den kommenden Monaten und Jahren zeigen. Die Erwartungen daran sollte man aber nicht allzu hoch hängen.
Foto: Uwe Schlick / pixelio.de
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