Warum wird eine Kampagne eigentlich zum Flop? Wenn Werbetreibende mit ihren Kreativ-Ideen über die Stränge schlagen, schlägt sich so mancher an die Stirn und fragt sich: Hätte man das nicht vorher wissen können müssen? Wäre dieser Flop nicht vermeidbar gewesen? Oder ist das etwa alles Absicht, steckt dahinter eiskaltes Kalkül?
Den Bogen spannen – nicht überspannen
In der Werbung gehört der Flop, oder sagen wir das „über das Ziel hinaus schießen“ zum Programm. Denn Werbung lebt wesentlich davon, dass sie Aufmerksamkeit schafft, dass sie irritiert und interessiert, dass sie sich vom Gewöhnlichen unterscheidet. Der Druck, sich unter den gut 5000 Werbebotschaften, denen jeder Mensch täglich ausgesetzt ist, abzuheben, ist damit enorm. Und die Gefahr, dass der Bogen überspannt wird, liegt auf der Hand. Denn der Grad zwischen irritieren und schockieren ist schmal und so wird aus erfrischend anders auch mal ein gefühltes abartig anders. Dann wird eine Kampagne als diskriminierend empfunden, sie weckt politisch zweideutige Assoziation oder überschreitet einfach die Grenzen des guten Geschmacks (was auch immer das sein mag).
Der Flop als Strategie
Und dann? Ist die Kampagne damit gefloppt? Hat dieser „Fehlgriff“ einen Imageschaden hinterlassen? Um es konkret zu machen: Vermietet Sixt heute weniger Autos, weil Gustl Mollath als unfreiwilliges Testimonial eingespannt wurde? Oder hat die Elektronikkette redcoon Umsatzeinbußen zu verzeichnen, weil in ihren TV- und Internet-Spots vier äußerst sparsam bekleidete Damen sich mit dem Begriff „billig“ assoziieren?
Die Frage, ob eine Kampagne erfolgreich ist oder nicht, lässt sich nur anhand der vorab gesteckten Ziele beurteilen: Soll die Bekanntheit gesteigert werden oder das Image verbessert werden? Soll ein Angebot beworben oder zu einem Produktkauf angeregt werden?
Eine Steigerung der Image-Werte hat die redcoon durch seine Spots wohl nicht erreicht – schon gar nicht bei Frauen. Laut einer Studie von MediaAnalyzer hat sich die Marke aber überdurchschnittlich stark ins Gedächtnis der Zuschauer gebrannt – v.a. bei Männern. Aus Unternehmenssicht kann also auch ein „Flop“ eine erfolgreiche Kampagne sein. Zumindest Aufmerksamkeit ist ihnen trotz – oder gerade wegen der Provokation – gewiss. Die Marke ist im Gespräch: durch die Werbung, durch die öffentliche Diskussion und sogar durch den Werberat. Frei nach dem Motto „Any publicity is good publicity“ mag die Wirkung der Kampagne also am Ende für die Marke aufgehen.
Wann ist eine Grenze überschritten?
Etwas Kreatives zu schaffen und etwas Neues zu denken, erfordert Mut. Aufgabe der Werbung ist es mutig zu sein. Wer mutig ist, zeigt Profil – und wird dadurch streitbar. Geschmäcker dürfen durchaus unterschiedlich sein, es gibt keine gute Kampagne, die jedem gefällt. Gute Werbung hat einen Standpunkt und polarisiert.
Wie weit man sich bei der Planung der eigenen Kampagne, Anzeige oder Werbemittel aus dem Fenster lehnt, bleibt eine Abwägungssache. Meine persönliche Grenze wird überschritten, wenn Menschen oder Gruppen diskriminiert und in Schubladen gesteckt werden. Das ist m.E. auch nicht durch einen „kalkulierten Kampagnen-Flop“ und die höhere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Darüber hinaus: Entscheidend ist nicht nur die Frage der Aufmerksamkeit, sondern eben auch die Ausrichtung einer Kampagne auf die dazugehörige Marke und die Markenstrategie. Wie bewusst sich so mancher Entscheider über diesen Punkt ist, bleibt fraglich.
Das Branchenportal WUV hat in einer Übersicht „Flop-Kampagnen des Jahres 2013“ zusammengestellt. Ob die Kampagnen aus Sicht der Marke tatsächlich gefloppt sind, können nur die Unternehmensverantwortlichen selbst beurteilen. Spekuliert und diskutiert werden darf trotzdem.